Südtirol ist schön. Sehr schön. Gehört zur Allgemeinbildung. Aber was die schönste Ecke von Südtirol ist, auf diese Frage fällt die Antwort schon schwerer. Sind es die Weinberge im Süden oder im Eisacktal, der Vischgau mit der lieblichen Meraner Gegend, das eher ernste Pustertal oder die “Bleichen Berge”, mittlerweile UNESCO-Weltnaturerbe Dolomiten mit den dramatischen Felsgebirgen? Mich zog es jedenfalls vor kurzem wieder genau dorthin, ins zauberhafte Eggental in Südtirol.
Schließlich musste das zehnjährige UNESCO-Jubiläum ja gefeiert werden! Es war schon relativ spät im Jahr als ich das Eggental in Südtirol besuchte und die eine oder andere der Aufstiegshilfen hatte schon ihre segensreiche Tätigkeit eingestellt. Aber die verbleibenden Tourenangebote übersteigen sowieso die Möglichkeiten eines ganzen Lebens, sodass keinerlei Langeweile aufkam.
Ich schloss mich geführten Touren bzw. einem Bergführer an. Das hat den Vorteil, dass man nicht ständig auf der Karte suchen muss, wo bin ich, wo geht es hin. Zudem will man ja nicht ständig nur durch eine wenn auch wunderschöne Landschaft wandern, sondern möchte auch wissen, was ist das, wie heißt dieser Berg, jenes Dorf. Jemand der aus der Gegend kommt und diese Fragen beantworten kann, ist da unschlagbar.
Unterwegs in die Dolomiten: Vom Grau zum Fastnachsommerwetter
Wie immer: Man kommt vom kalten und grauen Norden, die Wolken hängen dicht an dicht. Im Tiroler Oberland sind sie schon mit weißen Zuckerhüten versehen. War ja auch kalt und hat geregnet. Aber je weiter man sich dem Süden näher, umso blauer wird der Himmel. Ab dem Brenner scheint dann die Sonne und das Thermometer klettert wieder über 10 Grad.
In Sterzing dann die Überraschung: Es war Stau angesagt. Ich hatte Zeit und dachte, dann fahre ich die Landstraße. Das müsste ja auch heute, in der Nachsaison und an einem Wochentag, möglich sein. Das Navi stelle ich auf „ohne Autobahn“. Und wundere mich, wo es mich hinführt. Irgendwie kommt mir die Richtung seltsam vor. Bis ich merke: es geht in Richtung Penser Joch. Die Kilometer waren gleich angezeigt, nur die Zeit eine Stunde länger. Aber egal.
Über das grandiose Penser Joch …
Die Landschaft wurde schöner und schöner. Dramatische Berge, braune, herbstliche Farbstimmung. Stahlblauer Himmel. Grandios. Auf der anderen Seite schaukelte ich hinab ins Sarntal. Auch schön. Weniger schön war das was dann kam: die engen Gässchen, Einbahnstraße und der Verkehr in Bozen, das in Altstadtnähe durchquert wurde. Aber für was hat man sein treues Navi.
… nach Welschnofen
Relativ schnell war ich wieder draußen, kurz danach zweigte schon die Straße ins Eggental ab. Mein Standort Welschnofen war auch schnell erreicht, ebenso das Charmehotel Friedrich.
Es hieß nicht nur so, auch der Empfang war charmant, das Zimmer eine Wucht und die Kuchenauswahl zum Nachmittagskaffee zum dahinschmelzen. So kann es weitergehen.
Zum Eggental
Das Eggental wird von zwei imposanten Bergmassiven flankiert: dem Rosengarten und dem Latemar, die Teil des UNESCO Welterbe Dolomiten und am spektakulärsten sind, wenn sie durch die Abendsonne in ein rotes Kleid gehüllt werden.
Die sieben Orte des Tals Welschnofen, Eggen, Obereggen, Petersberg, Welschnofen, Carezza und Steinegg bieten spektakuläre Aussichten und sind ideale Ausgangspunkte für Wanderungen und Biketouren von 870 Meter bis zu 3000 Meter über dem Meeresspiegel. Ein gut beschildertes, über 500 Kilometer langes Wegenetz führt durch die beeindruckende Landschaft. Zudem stehen fünf gepflegte Klettersteige zur Verfügung. Biker können sich auf 600 Kilometer und insgesamt 22 000 Höhenmetern austoben. Zahlreiche Wanderwege sind auch familientauglich.
Auf Entdeckung der Natur werden gleich mehrere Highlights geboten: die bizarren Erdpyramiden in Steinegg, die neuen Themenwege des Latemarium, der Naturpark Schlern-Rosengarten und die beeindruckende Bletterbachschlucht. Und nicht zuletzt der Karersee, die Perle der Dolomiten, in welchem sich der Latemar in all seinen Farben spiegelt. Nicht umsonst wird er auf Ladinisch “lec de ergobando” genannt, der Regenbogen-See. Kulturell Interessierte sollten der Wallfahrtskirche Weißenstein und dem Heimatmuseum von Steinegg einen Besuch abstatten.
Giersch und Löwenzahn im Banne des Rosengartens – auf Kräuterwanderung
Langer Rede, kurzer Sinn: Südtirols Kräuter lockten. Auch im Herbst gibt es da noch vieles zu sehen und zu lernen. Begleitet wurden eine kleine Gruppe unerschrockener und wetterresistenter Wanderer und ich von Helga, einem wandelnden Lexikon was Heil(und natürlich auch Gift-)kräuter und ihre Anwendung in der Naturheilkunde anbelangt.
Und so wurde aus einer Tour, die meine Wanderapp nachträglich mit einer Wanderzeit von 2,5 Stunden auswies, eine ausgedehnte Tagestour von mindestens sechs Stunden. Dafür haben wir Unmassen von Wissen aufgesogen. Ersetzt locker zwei Tage medizinische Vorlesung an der Uni. Wobei ich ehrlicherweise zugestehen muss: Bei so einer Menge an Informationen bleibt nur ein Teil hängen, so viel kann man auch gar nicht aufschreiben.
Faszination Dolomiten, Faszination Rosengarten
Wir schreiben das Jahr des zehnjährigen Jubiläums der Erklärung der Dolomiten zum Weltnaturerbe der UNESCO. Nicht zuletzt dies war ein Grund, hierher, nach Welschnofen, an den Fuß des berühmten Rosengartens und des Latemars zu fahren. Als zweite Tour meines Aufenthalts stand eine Wanderung mit Bergführer Ferdinand auf meinem Plan.
Wohin? Natürlich in die Dolomiten. So ein großes Gebiet sie auch sind, aber hier liegt der Rosengarten um die Ecke, also ging es dorthin.
Bereits morgens war man schon über den Wolken. Blick zum Schlern.
Von Anfang bis Ende: ein grandioser Blick auf die Dolomiten.
Im Herbst erlebt man in den Dolomiten eine ganz besondere Stimmung; die Luft in den Alpen ist klarer, die Farben der Natur noch intensiver. Es war ein seltsamer Tag. Wir starteten in tiefstem Nebel und bei Kälte. Aber alle, Wetterbericht, Quartiergeber und nicht zuletzt Ferdinand sagten, es wird besser. Und tatsächlich. Nach kalter Auffahrt mit Bahn und Sessellift waren wir wirklich wenige Meter über der Nebelsuppe. Heraus schauten Latemar, Weiß- und Schwarzhorn, Rosengarten, Schlern, in der Ferne natürlich die Ötztaler und Stubaier Alpen. Alles sonst lag unter weißer Watte. So sah es übrigens auch in den Eiszeiten aus: Alles lag unter einer dicken Eisdecke, nur die Spitzen der Berge schauten hervor. Interessant.
So sollte es auch eine Weile bleiben, wir schwebten fast die gesamte Tour über den Wolken, bei strahlendem Sonnenschein, stahlblauem Himmel und unzähligen anderen Wanderern, die diesen Tag genießen wollten. Ein geschenkter Tag, wie man so sagt.
Entlang der “Bleichen Berge”
Wir starteten beim Kölner Haus, das wie ein Schwalbennest direkt unterhalb der Kalkriesen des Rosengartens klebt. Dort folgten wir dem Hirzelweg, der fast eben und immer gut gehbar sich unterhalb der Felsen entlang schlängelt. A propos gut gehbar: Ferdinand erzählte mir von den ständigen größeren und kleineren Katastrophen hier am Berg. Von Murenabgängen, Unwettern und ähnlichem. Und wie er und seine Kameraden vom Alpenverein Südtirol gleich darauf mit dem Pickel losziehen und die Wege wieder richten. Hut ab und Danke schön auch!
Und so wanderten wir gemütlich dahin bis wir auf einmal den berühmten Adler, das Christomannos-Denkmal sahen. Von hier aus ist es nicht mehr weit zur Rotwandhütte. Nunmehr den Sellastock, Palagruppe, Marmolada und mehr immer im Blickfeld. Rast machten wir in der benachbarten, gemütlichen Baita Pederiva.
Danach folgte der gemütliche Teil der Wanderung: Es ging zurück zum Denkmal, dann zur Paolinahütte und von dort aus schaukelten wir entspannt zur Bushaltestelle. Vorbei am berühmten Karersee ging es zurück nach Welschnofen.
Krönender Abschluss: Blick in 250 Millionen Jahre Erdgeschichte
Zu den berühmtesten Natursehenwürdigkeiten Südtirols gehört zweifelsohne die Bletterbachschlucht, schon alleine ihretwegen wäre die Auszeichnung als UNESCO Weltnaturerbe angemessen gewesen.
Mein Weg führte aber nicht hinab in den tiefen Höllenschlund der Schlucht, sondern ich konnte den Tiefblick von oben genießen. Nichts für Nicht-Schwindelfreie. Aber der Reihe nach: Eine kleine Gruppe von zwei Paaren und ich sowie Führer Ermanno wurden von Deutschnofen zum Pass Jochgrimm gefahren, der genau zwischen den beiden (geologisch) ungleichen Geschwistern Schwarzhorn und Weisshorn liegt. Das zweite hatte ich vor ein paar Jahren auch mal bestiegen, von damals kannte ich auch die Schlucht von unten.
Von dort ging es erstmals ein Stück steil hinauf in Richtung Weisshorngipfel. Bald aber zweigte unser Weg rechts ab, und nun begann eine gemütliche und fast ebene Wanderung entlang der Ostseite des Berges. Natürlich mit herrlicher Sicht auf Rosengarten, mein gestriges Ziel, und Latemar. Und was man drum herum so zu sehen bekam. Eigentlich hätte man sitzen bleiben und schauen können, warum nur weiter wandern?
Na ja, viel zu bald waren wir am Steilabfall, wo es fast senkrecht hinab in die Bletterbachschlucht ging. Links steilte das Weisshorn empor, das Gipfelkreuz war bereits zu sehen. Unser Weg führte aber nach rechts weiter, immer auf einem schmalen und ob der morgendlichen Feuchtigkeit etwas rutschigen Grat. Da war Aufmerksamkeit angesagt, denn links und rechts ging es steil und tief hinab. Schwindelfrei sollte man sowieso sein.
Geologische Sensation Bletterbachschlucht
Die Bletterbachschlucht ist eine geologische Sensation. Ein kleiner Bach hat hier am Fuße des Weißhorns ein tiefes Tal geschaffen, mit steilen Felswänden, Wasserfällen und verschiedenen und verschiedenfarbigen Felsen. Hier fand man Fußabdrücke, Spuren und Fährten von Sauriern, dazu fossile Pflanzenreste, Muschel, Fraß- und Wühlspuren. Aufgrund all dieser Funde kann man auf das seinerzeitige Klima und die Umweltbedingungen schließen. Ein Besuch des Besucherzentrums des GEOPARCS ist im Rahmen dieser Wanderung leider nicht möglich, aus zeitlichen Gründen sicher auch nicht danach.
Info: www.bletterbach.info
Aber so ging es nur kurz weiter, dann wanderten wir an der rechten Bergflanke abwärts. Immer noch steil, aber ohne jedwelche Gefahr. Ermanno machte uns auf die Versteinerungen aufmerksam, die man hier finden könne, und tatsächlich durfte einer einen schönen (schweren) Steinbrocken mit Muscheln in den Rucksack packen. Na dann viel Vergnügen. Mir reichen die Ammoniten, die ich von der Alb schon heimgeschleppt habe.
Es ging immer abwärts, vorbei aber an ein paar Aussichtsstellen, die nicht nur noch einmal einen Blick in die Schlucht sondern nach Westen, ins Etsch- und Eisacktal, nach Kaltern, weiter zum Cevedalegletscher und was weiß ich noch was alles für Gipfel und Bergketten bot. Grandios, die herbstliche Fernsicht.
Schließlich war die Neuhütt Alm erreicht, wo wir uns vom singenden Wirt verwöhnen ließen. Für mich waren es nun die dritten Speckknödel meiner Reihe empirischer Versuche über die Knödelbackkunst der Almwirtschaften.
Der restliche Weg nach Deutschnofen brachte uns durch einen lichten, ja fast parkartigen Wald der Laab Alm. Er erinnerte mich stark an ein ähnliches Gebiet im nahe gelegenen Naturpark Trudner Horn; auch im Stubaital bin ich mal durch einen ähnlichen Wald marschiert. Weitere Aussichtspunkte waren natürlich Ehrensache der Wegführung des Wanderführers, und so erreichten wir am frühen Abend etwas müde aber glücklich und zufrieden den Ausgangspunkt. Als Abschluss meiner herbstlichen Südtiroler Wandertage war das genau richtig.
Weitere Informationen:
Eggental Tourismus,
+39 0471 619500
Unterkunft:
Charmehotel Friedrich***
Telefon 0039 0471 613104
Karte:
Wandern Rad Skitouren 54 Bozen und Umgebung, Kompass, 1:50 000
Literatur:
Franz Hauleitner: Dolomiten 2, Eggentaler Berge – Latemar – Rosengarten. 50 Touren. Rother Wanderführer. ISBN 978-3-7633-4059-0, 14,90 €